Wir hatten im Hafen Hunderte von Fällen von PIN-Code-Diebstahl, so der Bezirksleiter der Seehafenpolizei Rotterdam, Jan Janse. „Seit der Einführung der Secure Chain für Containerladungen aus Südamerika gehörte dies von einem Tag auf den anderen der Vergangenheit an.“
Janse bezeichnet die Secure Chain als das Paradebeispiel für öffentlich-private Zusammenarbeit. „Für mich bedeutet öffentlich-private Zusammenarbeit, dass mehrere Parteien gemeinsam einen Auftrag annehmen, gemeinsam darin investieren und sich, wenn nötig, mit Herzblut dafür einsetzen.“ Bei der Umsetzung der Secure Chain sei genau so vorgegangen worden, stellt er fest. „Und das mit nachweisbaren Ergebnissen für die Sicherheit des Hafens und der weiteren Logistikkette.“
„Ermittlung as a Service“
Der Grundstein für die Entstehung der Secure Chain wurde von der Seehafenpolizei gelegt. Janse: „Man kann zwar viele Kriminelle fassen wollen, aber besser ist es, dafür zu sorgen, dass Missbrauch gar nicht erst möglich ist. Kurz gesagt ist das seit zehn Jahren unsere Philosophie. Das Fassen von Kriminellen dient uns in erster Linie dazu, zu lernen, wie Missbrauch stattfindet. Anschließend können wir Unternehmen über Lücken in ihren Sicherheitsmaßnahmen informieren und ihnen zeigen, wie sie diese schließen können. Jemand hat dies einmal als ‚Ermittlung as a Service‘ bezeichnet. Nicht ermitteln, um Kriminelle vor Gericht zu bringen, sondern ermitteln, um zu verstehen, welche Schwachstellen in der Kette bestehen.”
Man kann zwar viele Kriminelle fassen wollen, aber besser ist es, dafür zu sorgen, dass Missbrauch gar nicht erst möglich ist.

„Nehmen wir zum Beispiel PIN-Code-Diebstähle“, fährt der Bezirksleiter fort. „Anfangs haben wir diesbezüglich umfangreiche Ermittlungsarbeit geleistet – bis wir wussten, wie es funktionierte. Anschließend haben wir alle beteiligten Parteien informiert und ihnen mitgeteilt, dass es nun an ihnen sei, diese Lücke zu schließen. In der Logistikkette hatten viel zu viele Personen Zugriff auf die PIN-Codes für die Abholung von Containern. Die Verwendung dieser Codes war in keiner Weise geschützt.“
Zusammenarbeit mit Unternehmen
In intensiven Gesprächen wurde den Unternehmen im Hafen deutlich gemacht, dass die bestehenden Arbeitsprozesse unbedingt geändert werden mussten. Sowohl zum Schutz der eigenen Mitarbeiter als auch zum Schutz des Logistikprozesses der Kunden. Janse: „Letztendlich wurde das Thema außerordentlich engagiert angegangen. Im Zuge zahlreicher Gespräche wurde von den Beteiligten eine separate Logistikoperation entwickelt, die später ‚Secure Chain‘ genannt wurde. Eine unserer Aufgaben als Seehafenpolizei in diesem Prozess bestand darin, Unternehmen immer wieder klar zu machen, dass aus Sicht des Mitarbeiterschutzes eine Nichtteilnahme keine Option war.“
Belastung hat sich stark verringert
PIN-Code-Diebstahl wurde von Kriminellen vor allem dazu genutzt, um durch unseriöse Transporteure Container mit Kokain-Taschen an den Terminals abholen zu lassen. Nach der Abholung des Containers wurden die Drogen herausgenommen, um anschließend die reguläre Ladung wie gewohnt auszuliefern. „Wenn das einmal geklappt hat, verbreitet sich diese Methode sehr schnell.“
Mit der tatsächlichen Einführung der Secure Chain für Container aus Südamerika wurde dies unterbunden. Seitdem hat die Seehafenpolizei keine PIN-Diebstähle mehr festgestellt. Auch die Methode der ‚Trojanischen Pferde‘ wurde gestoppt. Transporteure brachten mit dieser Methode leere Container mit Drogen-Abholern in den Terminal. Die Drogen-Abholer luden die illegal in einem Container mitgeführten Taschen mit Kokain dann vor Ort in einen anderen Container um, der daraufhin wieder abgeholt wurde.
Das Phänomen der Drogen-Abholer ist in Rotterdam nicht vollständig beseitigt, aber deutlich zurückgegangen
Die Secure Chain hat diese sogenannten Rip-on-, Rip-off-Methoden nahezu unmöglich gemacht, stellt Janse fest. „Das Phänomen der Drogen-Abholer ist in Rotterdam nicht vollständig beseitigt, aber deutlich zurückgegangen. Die Belastung für die Terminals hat sich stark verringert. Für uns bedeutet dies, dass wir nun Kapazitäten für andere Aufgaben freisetzen können. Jeder festgenommene Drogen-Abholer bedeutet drei Tage Arbeit. Im Vergleich zu einem schlechten Jahr, in dem wir bis zu 400 Drogen-Abholer festgenommen haben, werden es 2025 vielleicht 100 sein. Das sind 300 Festnahmen mal drei Tage weniger.“

Jetzt Shortsea-Sektor mit ins Boot holen
„Die großen Containerterminals sind nachweislich sicherer geworden, und die Mitarbeiter der Reedereien werden weniger von Kriminellen angesprochen. Gleichzeitig muss an anderer Stelle in der Kette noch einiges gegen Unterwanderung unternommen werden“, fasst Janse zusammen. „Kriminelle suchen sich immer das schwächste Glied. Deshalb ist es gut, dass die Secure Chain nun auch prüft, wie der Shortsea-Sektor mit ins Boot geholt werden kann. Nicht, dass wir in diesem Sektor bereits viele große Beschlagnahmungen zu verzeichnen hätten, aber wir wissen, dass sich die Routen ändern. Früher kam Kokain direkt per Deepsea-Schiff aus Südamerika, jetzt wird es erst von Brasilien nach Afrika transportiert. Dort wird das Kokain vor der Küste von Schiff zu Schiff umgeladen oder nach dem Entladen in einem Hafen per Shortsea-Schiff weiter in diese Richtung transportiert. Wir müssen solche Risikostrecken genau im Auge behalten. Wasser sucht sich immer den tiefsten Punkt. Wenn man als Shortsea-Unternehmen nicht widerstandsfähig ist, kann es einen einfach so treffen. Deshalb ist es gut, dass sich die Secure Chain jetzt auch auf diesen Sektor konzentriert.“
Wenn man als Shortsea-Unternehmen nicht widerstandsfähig ist, kann es einen einfach so treffen
Schnelles Handeln ist absolut unerlässlich, so lautet Janses Botschaft an die Unternehmen für die Zukunft. „Ich bin mit der Zusammenarbeit, dem Engagement aller und dem Mitdenken außerordentlich zufrieden, aber letztendlich hat die Realisierung der Secure Chain fünf Jahre gedauert. Wenn man sieht, wie schnell Kriminelle handeln, müssen wir gemeinsam viel schneller in der Lage sein, Maßnahmen zu ergreifen. Wenn wir das nicht lernen, werden wir immer hinterherhinken.“